Das Val Grande, ein 16'000 Hektar großes Gebiet im Hinterland des Lago Maggiore, ist seit 1992 Nationalpark und die offiziell größte Wildnis Italiens. Es wird umgeben von schroffen Bergen, die den Zugang deutlich erschweren. Der einzige Talzugang von Süden endet rund um das kleine Dorf Cicogna, und wer tiefer in diesen von der Außenwelt abgeschiedenen Kessel vordringen möchte, muss in eine seit vielen Jahrzehnten sich selbst überlassene Natur vordringen.


Einst pulsierte hier jedoch trotz aller topografischen Widrigkeiten das Leben. Das Val Grande wurde lange Zeit von Bauern, Holzfällern und Köhlern bevölkert, die von der Armut getrieben selbst die abgelegensten Winkel bewirtschafteten. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs fanden hier auch zahlreiche Partisanenverbände Unterschlupf, woraufhin das Gebiet von faschistischen Truppen "gesäubert" wurde. Dieses traumatische Ereignis läutete den Niedergang der Bauernkultur ein, und als in den 1950er-Jahren durch den Wirtschaftsaufschwung alternative Arbeitsplätze im Tal entstanden, wurde das Val Grande endgültig und vollständig aufgegeben.


So geriet es über Jahrzehnte in Vergessenheit, und die Natur konnte sich ungestört die kultivierten Landschaften zurück erobern. Mit dem Aufkommen des Wandertourismus in den 1990er-Jahren wurde diese einmalige Gegend schließlich unter Schutz gestellt und eine Nationalparksverwaltung eingerichtet, die dafür garantiert, dass sich die Natur weiterhin fast uneingeschränkt ausbreiten kann, doch auch der Mensch das Val Grande als Erholungsgebiet nutzen kann. Dafür wurden einige wenige Wanderwege angelegt, die unregelmäßig unterhalten werden, und alte Bauernhäuser zu spartanischen Unterkünften umgewandelt.


Wer also diese Wildnis erwandern möchte, sollte sich darauf einstellen, viele Höhenmeter auf schmalen Pfaden zurück zu legen und auf jeglichen Komfort in den Hütten, die meist nicht mehr als einen kleinen Ofen, einen Tisch und eine Bank bieten, zu verzichten. Dies wiederum ermöglicht ein einmaliges Erlebnis, dass es so in dieser Art andernorts wohl kaum noch gibt.