OS12 - anspruchsvolle Wanderung über 5 Tage
Großartige Überschreitung der unbekannten Gebirge zwischen Valle Antigorio und Val Vigezzo - die meiste Zeit wandern wir zwischen 2000m und 2500m in alpinem Gelände, vorbei an zahlreichen Alpen und Bergseen, über Gras-, Geröll- und Felslandschaften. Hier herrscht Einsamkeit pur, Wege und Hütten sind noch echte Geheimtipps!
Ausgangspunkt: San Rocco bei Premia
Wir starten ganz in der Nähe der erst vor wenigen Jahren eröffneten Thermalbäder von Premia, im engen Antigoriotal. Der Linienbus bringt uns von Domodossola in den kleinen Weiler San Rocco. Dieser wurde zwischen senkrechten Felswänden gebaut und auf den ersten Blick erscheint es unmöglich, die Granitfluchten zu Fuß zu überwinden, um auf die umliegenden Berge zu gelangen. Und doch gibt es sie, die Durchstiege, vor vielen Jahrhunderten von verzweifelten Bauern errichtet, die auch noch die unzugänglichsten Weiden erreichen mussten, um zu überleben.
Und so beginnt unser Aufstieg auch gleich, nachdem wir das Dörfchen verlassen haben. Mal links, mal rechts umgeht der Steig die Felswände und windet sich so von Terrasse zu Terrasse empor. Immer wieder treffen wir auf Ruinen, Reste der einst so wichtigen Alpwirtschaft. Selbst Kühe wurden hier herauf getrieben.
Nach fast 800 Metern Aufstieg legt sich das Gelände etwas zurück. Langsam aber sicher wird der Wald lichter - wir verabschieden uns von ihm für die nächsten vier Tage. Dadurch öffnet sich auch das Panorama immer mehr und wir realisieren, von welch erhabenen Bergriesen wir umgeben sind.
Erst durch Erlen, dann über Geröll geht es auf schmalen Pfaden weiter bergauf, bis wir schließlich unser erstes Quartier erreicht haben. Die sehr einfache Hütte bietet uns ein Dach und auch ein wärmendes Feuer für die Nacht. Das alles in einer eindrucksvollen alpinen Umgebung.
Am zweiten Tag geht der Aufstieg weiter, denn ganz oben sind wir immer noch nicht. Wir passieren die letzten kleinen Lärchen und betreten endgültig die baumfreie Zone. Vorbei an zahllosen Bächen schlängelt sich der immer unscheinbarere Pfad hinauf, um endlich den Pass und damit den Ausstieg aus dem Valle Antigorio zu erreichen. Wir erblicken nun große Teile der Tessiner Alpen, und geografisch gesehen sind wir auch auf der Grenze zum Schweizer Kanton. Politisch allerdings nicht, er beginnt erst einige Kilometer weiter im Osten. Über Jahrhunderte hinweg haben italienische Bauern die großen Weideflächen jenseits des Bergkammes genutzt, und daher gehört dieser Teil der Alpen auch ganz offiziell zu Italien. Erstaunlich: unser Pass wurde einst für den Bau einer Transportseilbahn aus dem Fels gebrochen. Reste davon sind nach wie vor zu sehen.
Das steilste Stück liegt nun hinter uns, die Landschaft wird deutlich sanfter. Was uns die Gelegenheit gibt, einen kleinen, aber sehr panoramareichen Gipfel zu erklimmen. Über flache, felsdurchsetzte Matten erreichen wir in Kürze (und ohne Gepäck) die Erhebung, mit fast 2700m der höchste Punkt unserer Wanderung. Von hier sehen wir nicht nur die Tessiner Alpen im Osten und die Walliser Viertausender im Westen, sondern auch das tief eingeschnittene Ossolatal mit Domodossola im Süden.
Zurück am Pass schultern wir wieder unsere Rucksäcke und machen uns an den kurzen Abstieg zu den schier endlosen Weiden von Cravariola. Zumeist weglos, doch einfach geht es an Hochmooren und Alpenrosenfeldern vorbei, eher wir unsere nächste Hütte erreichen. Das kleine Häuschen wurde erst 2019 zu einem gemütlichen Bivacco umgewandelt und bietet uns so Schutz für die Nacht.
Tag Nummer drei bringt uns von einem Kessel in den nächsten, und dafür nutzen wir sogar einen kurzen Tunnel. Er wurde im Mittelalter (!) für die Kühe (!) angelegt, denn nur so konnten die Weideflächen bereits im Juni erreicht werden.
Auch auf der anderen Seite erwarten uns zahlreichen Weiden, Wildbäche und sogar einige Bergseen. Wir schwenken auf einen Höhenweg ein und steigen langsam wieder in alpineres Gelände auf. Hier treffen wir erneut auf einen See, und dass hier oben der Sommer kurz ist, verrät sein Name: Lago Gelato. An besonders heißen Tagen lädt er die Unerschrockensten unter uns dennoch zum Bade...
Nur wenige Minuten entfernt wartet der nächste Pass auf uns, und nun erblicken wir bereits die Berge des Valle Vigezzo und dahinter auch jene des Val Grande. Ein schmaler, manchmal etwas ausgesetzter Steig führt hinunter in ein kleines Seitental, in dem sich unser nächstes Quartier befindet. Diese Hütte, das Rifugio Bonasson, ist nur mit Schlüssel zugänglich und bietet daher alles, was das Herz begehrt. Auf dem schönen Steintisch auf der Terrasse freuen wir uns auf das auf dem Holzofen zubereitete Abendessen.
Am nächsten Tag folgen wir weiter dem nun recht sanften und malerischen Tal, immer entlang eines großen Wildbachs. Nach etwa einer Stunde überqueren wir ihn (ohne Brücke...) und machen uns an den nächsten Aufstieg. Der gute Weg führt durch lockeren Lärchenwald und vorbei an hübschen Bergbauerhöfen. Das Gelände ist hier deutlich weniger schroff als an den Tagen zuvor. So erreichen wir ohne große Mühe den weitläufigen Pass, der uns ins Valle Vigezzo bringt.
Auf der anderen Seite kommen wir an ein paar hübschen Seelein vorbei und tauchen in das einsame und abgeschiedene Valle dei Bagni ein. Hier hat längst der Wald die Weideflächen zurück erobert und die Wildtiere haben wieder das Regiment übernommen. Steil führt unser Pfad hinab bis zu einem kleinen, verwunschenen Häuschen, das heute als spartanische Unterkunft dient. Wir können uns hier einquartieren (für echte Wildnisfreunde) oder noch ein Stück dem rauschenden Rio Onsernone folgen, bis sich das Tal öffnet. Hier sind wir im Zentrum des Valle dei Bagni, mitten im Nirgendwo. Und auch dort steht eine Hütte, ein privates Haus des Italienischen Alpenclubs, für das ich den Schlüssel besitze. Hier wird es uns an nichts fehlen und wir können einen gemütlichen Abend vor dem Kaminfeuer verbringen.
Am fünften und letzten Tag folgen wir zunächst weiter dem nun breiter werdenden Tal bis zur Schweizer Grenze. Kurz davor furten wir den Rio Onsernone und kommen so zum historischen Thermalbad. Einst gaben sich hier die Reichen und Adligen die Klinke in die Hand, es gab sogar ein vornehmes Hotel. Inzwischen ist alles verfallen, nur die Quelle wurde vor ein paar Jahren neu eingefasst, so daß wir auch heute noch Zugang zum 28 Grad warmen Heilwasser haben.
Nach dieser Erfrischung steht uns der nächste, lange Aufstieg bevor. Der Weg erklimmt den im Süden gelegenen Übergang von Sant'Antonio, und nun treten wir endgültig ins Valle Vigezzo ein. Wir machen uns an den finalen Abstieg, und unser Ziel ist natürlich nicht irgendein Dorf, sondern der berühmte Wallfahrtsort Re, in dem sich die eindrucksvolle Basilika der Blutenden Heiligen Jungfrau (Madonna del Sangue) befindet. Das schmale Weglein, das uns dort hinführt, ist anfangs noch steil und wild, wird später jedoch immer bequemer und kurz vor den ersten Häusern sogar zur breiten Mulattiera.
Schließlich bringt uns der Zug der Centovalli-Bahn, die hier Vigezzina heißt, zurück nach Domodossola - noch einmal ein Highlight unserer Tour!
Rückkehr am Abend.
Höhendifferenzen:
1. Tag: + 1260m
2. Tag: + 850m, - 860m
3. Tag: + 790m, - 870m
4. Tag: + 560m, - 1410m
5. Tag: + 890m, - 1300m
beste Jahreszeit: Juni bis Oktober
Leistungen:
-Busfahrt Domodossola-San Rocco, Zugfahrt Re-Domodossola
-Führung wie beschrieben
-Verpflegung ausreichend für fünf Tage: Brotzeit, Müsli-/Schokoriegel, vier warme Mahlzeiten (Suppe, Pasta/Risotto/Polenta/Couscous o.ä., Nachtisch), Frühstück (Müsli, Kaffee, Tee)
-Übernachtungen in vier zum Teil sehr einfachen Unterkünften
maximale Teilnehmerzahl 4 Personen